Repertoire

Dragma

Himmlische Musik, Minne und Mystik des späten Mittelalters

Heinrich Laufenberg lebte und wirkte von etwa 1390 bis 1460 im Aargau, in Süddeutschland und im Elsass. In dieser Zeit schuf er ein umfangreiches Werk an geistlichen Liedern, lehrhaften Versepen und religiöser Prosa. Der Grossteil seines Werks wurde in einem Manuskript in der Strassburger Bibliothek überliefert, das 1870 in einem Feuer vollständig verbrannte. Glücklicherweise wurde vor dem Brand eine Abschrift vorgenommen, so dass ein Teil seines Lebenswerks für die Nachwelt erhalten wurde.

Die erhaltenen Lieder Heinrich Laufenbergs sind von bestechender inhaltlicher und musikalischer Schönheit: in einem lobt er auf poetisch schönste Weise Maria, in einem Wiegenlied bittet er um den Schutz Jesu für das schlafende Kind, in einem weiteren beschreibt er detailreich und farbig das Himmelreich.

Im Programm «Königreich des Himmels» erklingen Lieder, die seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr gehört wurden. Die lyrischen, erzählerischen Lieder Laufenbergs werden von virtuoser Instrumentalmusik seiner Zeit umrahmt. Es entsteht ein facettenreiches und farbiges Bild des hohen Mittelalters, das vom Ensemble Dragma mit Spielfreude und Authentizität auf die Bühne gebracht wird.

Ein «Bestiarium» ist eine mittelalterliche Handschrift, in der Tiere und Fabelwesen fantasievoll und farbenreiche abgebildet sind, denen jeweils eine Beschreibung des abgebildeten Tieres beigefügt ist. Dabei sind weder die Abbildungen noch die Tierbeschreibungen im modernen Sinne realistisch, sondern dienen, oft um weitere religiöse oder moralische Texte und Deutungen angereichert, zur Erklärung der Rolle des Menschen im mittelalterlichen Weltbild. Es sind circa 50 mittelalterliche Bestiarien erhalten, vor allem aus dem 12. und 13. Jahrhundert: ein reicher Fundus an spannenden, kunstreichen und bisweilen abstrusen Abbildungen und Texten.

Parallel zu dieser bildhaften Überlieferung gibt es in der Überlieferung mittelalterlicher Musik vom 13. bis 15. Jahrhundert unzählige Stücke, die sich in Text und Klang mit ebendiesen Tieren und Fabelwesen auseinandersetzen. Diese Stücke bestechen mit hochstehender Lyrik und einer lebhaften Bildersprache. Zu dem Repertoire gehören bekanntere Stücke, wie das «Une vipere» des Guillaume de Machaut, in dem die schlechten Eigenschaften einer geliebten Dame als siebenköpfige Schlange dargestellt werden, aber auch das rhythmisch skurrile, anonym überliefert «Ung lion say» in dem ein schöner Löwe beschrieben wird, der im Garten der Fröhlichkeit Wache hält.

Für das Programm «Song of Beasts» werden die mittelalterliche Bilder- und Klangwelt übereinander gelegt, mit dem Ziel, diese spannende Welt für ein heutiges Publikum erfahrbar zu machen. Im Laufe des Abends werden diverse Tiere und Fabelwesen vorgestellt, der Panther und die Viper, aber auch Phönix, Einhorn und Basilisk. Diese Tiere werden aus diversen Blickwinkeln betrachtet: das Ensemble Dragma rezitiert ausgewählte Textstellen aus mittelalterlichen Bestiarien, unterlegt mit Instrumentalmusik der Zeit. Das Ensemble führt  Schlager und gänzlich vergessene mittelalterliche Kompositionen auf, die Tiere und Fabelwesen thematisieren. Parallel zu der musikalisch-theatralischen Aufführung wird eine Zusammenstellung von passenden, animierten Bildern aus mittelalterlichen Bestiarien projiziert. In kleineren Kirchen findet die Projektion mit Beamer auf einer tragbaren Leinwand statt, in grösseren, technisch ausgestatteten Räumlichkeiten wird die Technik vor Ort verwendet.

Es entsteht ein vielschichtiges und eindrückliches Portrait der Tiere und Fabelwesen, dass einen spannenden Einblick in das mittelalterliche Weltbild gibt.

 

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Lieder von Schweizer Minnesängern aus der Manessischen Liederhandschrift
 

Der Süden des deutschsprachigen Raums wurde seit dem späten 12. Jahrhundert zu einem Zentrum des klassischen Minnesangs und gerade der Schweizer Raum sollte es bis ins frühe 14. Jahrhundert bleiben. Nicht allein, dass eine Vielzahl bedeutender Minnesänger die Namen heutiger Schweizer Orte in ihrem Wappen führen, auch die Sammlung und Bewahrung der Errungenschaften dieser Epoche und ihrer Schätze fand auf Schweizer Boden statt: Die wichtigste Quelle für den Minnesang, die uns zugleich mit wunderschönen Dichterbildern versorgt, der Codex Manesse, entstand auf Initiative wohlhabender Zürcher Bürger und Mäzene der schönen Künste. Johannes Hadlaub lobt unter diesen besonders die Gebrüder Manesse in einem «selbstreferenziellen» Lied des Codex, das von der Sammlung ebenjener Minnelieder in ebendiesem Codex berichtet.

So gut die Texte jedoch in Handschriften wie dem Codex Manesse überliefert sind, umso schwieriger verhält es sich mit der Melodienüberlieferung dieser Kunst, die vom gesungenen Vortrag abhängt: Nur in Ausnahmefällen sind Melodien oder Fragmente von Melodien erhalten. Ensemble Dragma hat es sich zur Aufgabe gemacht, für das vorliegende Programm Melodien aufzuspüren, die einst zu diesen Texten gehörten, bis zu ihrer Überlieferung aber andere Wege gegangen waren. Es bedurfte behutsamer Anpassung, um die Texte darauf wieder zum Klingen zu bringen. Für Texte, deren Melodien unwiderruflich verloren scheinen, orientierte sich das Ensemble an parallel überlieferten Repertoires, wie das der französischen und okzitanischen Minnesänger (der Trobadors und Trouvères), sowie der deutschen Sangspruchdichter, auf der Suche nach möglichen Kontrafakturen. Das Ergebnis ist ein Programm mit bislang ungehörten Liedern, die fest mit dem Schweizer Raum im Mittelalter verbunden sind.

Die Vielfalt des Essens und Trinkens im Mittelalter

In der Musik des Spätmittelalters und der Renaissance stehen Essen und Trinken immer wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit, zeitgleich wird die Vielfalt der kulinarischen Genüsse in diversen Kochbüchern der Zeit überliefert.  Bei dieser Aufführung wird die musikalische Vielfalt des Essens vom Ensemble Dragma auf die Bühne gebracht. 

Viele vertonte Texte beschreiben abendfüllende Bankette. Ein farbiges Beispiel ist das Stück «Ain Gefress» von Michel Beheim: nach dem musikalischen Genuss sinkt man als Zuhörer gesättigt in den Sessel. Auch im Stück «Vamos a cenar» wird der Gast zu einem Festmahl eingeladen. Es wurden aber nicht nur Festivitäten besungen – die überlieferten Lieder sind viel spezifischer und vielfältiger.
In marktschreierischen Liedern ersteht das kunterbunte Leben der Märkte wieder auf. Während im Lied «Frese Nouvelle» frische Erdbeeren auf dem Markt von Paris feilgeboten werden, versichert uns der Verkäufer in der Frottola «Pan de miglio», dass seine warmen Hirseküchlein die Damen «frisch, schön und warm wie die Lilien macht» – was für ein Angebot! Auch die Kochkunst wird musikalisch porträtiert. In «Maistro Barileto» verrät uns der Meisterkoch das Geheimnis seiner besten Brühe und in «De la mia farina» wird erklärt, wie man aus seinem Mehl im 14. Jahrhundert Lasagne herstellte. 

Der Wein darf zum Essen natürlich nicht fehlen, kann aber durchaus auch zu Verstimmungen führen. Ludwig Senfl berichtet in «Von edler Art spieb ich in Bart» von den Folgen des übermässigen Weingenusses am nächsten Tag. Ebenso vielfarbig und interessant sind die Rezepte in den überlieferten Kochbüchern.

Damit das Vergnügen nicht nur akustisch bleibt, werden zur musikalischen Aufführung passende Leckerbissen nach historischen Rezepten gereicht. Die Köchin Eveline Gurtner hat diese Rezepte für ein heutiges Publikum aufbereitet, die Esswaren werden je nach Ort während des Konzertes oder bei einem anschliessenden Apéro offeriert. Ein kleines Rezeptbuch der besungenen und verspeisten Esswaren vervollständigt das Programm und erlaubt den Konzertbesuchern ein genussvolles Nachbereiten der Erfahrung in den eigenen vier Wänden.

Programme «Regina Gloriosa» und «Laus Cracoviae»

Ein vom Flammenmeer gerettetes Manuskript? Internationaler Kulturaustausch im Spätmittelalter? 

Das liest sich wie die Schlagzeilen einer aktuellen Tagesszeitung, ist aber die Basis des Projekts «KRAS». Im Zentrum steht das polnische Manuskript KRAS, der sogenannte Codex Krasiński (1. Hälfte 15. Jh.). Knapp dem Feuer im zweiten Weltkrieg entronnen, zählt es heute zu den wichtigsten musikalischen Schätzen der Warschauer Nationalbibliothek. Es enthält 40 Musikstücke aus ganz Europa und zeugt von einer kulturellen Blütezeit Polens im Spätmittelalter.  

Das erste Programm «Regina Gloriosa» stellt die Werke des Krakauer Hofkomponisten Nikolaus von Radom ins Zentrum. Zu hören sind seine Lieder zum Lobe Marias. Im mittelalterlichen Weltbild war Maria eine nahbare Mutter von Christus, die für alle Menschen Liebe, Vergebung und Wärme bereithielt. Die hier präsentierten marianischen Gesänge sind ganz persönlich formulierte poetische Fürbitten. Diese Direktheit lässt Jahrhunderte schwinden. Es entsteht ein sinnliches, meditatives Lobesprogramm mit kompositorischer Raffinesse.

Im zweiten Programm «Laus Cracoviae» erklingen virtuose Instrumentalstücke und Hoflieder zum Lob des polnischen Königshauses. In Liedern über die goldene Stadt Krakau, Königssitz der Jagiellonen, wird das bunte Leben dieser mittelalterlichen Stadt beschrieben. Umrahmt werden die prachtvollen Loblieder mit internationalen Werken von Johannes Ciconia und Antonio Zacara da Teramo, die mit lebendigen Rhythmen und italienischer Lebensfreude beeindrucken.

3 Musiker*innen (Gesang, Harfe, Laute und Vielle), Grossbesetzung mit bis zu 13 Musiker*innen